Patentstreit beendet wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit
Die Schutzfähigkeit der beanspruchten Lehre stand für den Vorstand des BSS e.V. von Anfang an in Frage, da es sich bei dem europäischen Patent EP 2 396 639 B1 des Herrn Gerhard Führer nur um eine Agglomeration von Maßnahmen handelt (Ermittlung und Lokalisierung von Schimmelbefall in Innenräumen), die nahezu alle Sachverständige schon immer angewendet haben. Nach mehr als drei Jahren wurde der Patentstreit nun vor der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts in zweiter Instanz beendet.
Aus Sicht des BSS war es zwingend notwendig, gegen dieses Patent vorzugehen. Das Verfahren, das sich über mehr als drei Jahre hinzog, war sehr arbeits- und kostenintensiv. Dr. Wolfgang Lorenz, 1. Vorsitzender des BSS e.V. sieht das Verfahren vor allem als eine Investition, um die eigenen Mitglieder, aber auch Sachverständige und Sanierer allgemein, vor möglichen Inanspruchnahmen aus dem Patent zu schützen. Der BSS wertet dieses Urteil als wichtigen Erfolg. „Dieses Patent hätte zu einer massiven Einschränkung der Sachverständigentätigkeit führen können. Mit der Abwehr wurden drohende Lizenzforderungen an Sachverständige verhindert, so Dr. Wolfgang Lorenz.
Der Patentstreit in der Sache des europäischen Patents EP 2 396 639 B1
Diese Geschichte beginnt Ende 2014. Beim Vorstand des BSS gehen zunächst nur einzelne Anrufe von Kollegen ein, die im Bereich der Begutachtung oder der Sanierung von Schimmelschäden tätig sind. Die Anzahl der Telefonate nimmt Woche für Woche zu und auch Nichtmitglieder wenden sich telefonisch oder schriftlich an den BSS. Anlass ist die europäische Patentanmeldung EP 2 396 639 B1 von Herrn Gerhard Führer aus Himmelstadt, welche ein Verfahren zur Ermittlung des Befalls von Innenräumen oder dafür zu verwendender Baustoffe mit Schimmelpilzen und anderen Mikroorganismen durch die Entnahme von Materialproben und der anschließenden Analyse dieser Proben zum Gegenstand hat. Die Schutzfähigkeit der beanspruchten Lehre steht für den Vorstand des BSS in Frage, da es sich nur um eine Agglomeration von Maßnahmen handelt, die nahezu alle Sachverständige schon immer angewendet haben.
Am 19.11.2014 wird die Patenterteilung vom Europäischen Patentamt bekannt gegeben.
Neben insgesamt anfangs sieben anderen Parteien hat der BSS e. V. Einspruch gegen die Patenterteilung beim europäischen Patentamt eingelegt. Hierzu wurde die Kanzlei Gille Hrabal in Düsseldorf beauftragt. Seitens des BSS war fachliche Zuarbeit erforderlich, die in erster Linie von Dr. Wolfgang Lorenz geleistet wurde. Die fachlichen und patentrechtlichen Sichtweisen mussten mit viel Zeitaufwand und Sachverstand zusammengefügt werden.
Dies ist hervorragend gelungen. So kommt es bei der in Den Haag am 05.07.2017 stattfindenden Verhandlung der Einspruchsabteilung zu einem erstinstanzlichen Widerruf des europäischen Patents.
Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens sind im Wesentlichen die nachfolgenden Patentierungsvoraussetzungen:
1. Ausführbarkeit der unter Schutz gestellten Lehre (Art. 83 EPÜ)
2. Neuheit (Art. 54 EPÜ)
3. Erfinderische Tätigkeit (Art. 56 EPÜ)
Bereits nach der für ein Patentverfahren verhältnismäßig kurzen Verhandlungsdauer von gut vier Stunden entscheidet die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes zur Frage der Ausführbarkeit, dass das Patent die notwendigen Anforderungen nicht erfüllt. Die übrigen Punkte wurden erstinstanzlich nicht mehr erörtert. Ursprünglich angesetzt war eine zweitägige Sitzung.
Das Ergebnis war hiermit für alle Beteiligten, zumindest auf der Seite der Einsprechenden, so klar und nachvollziehbar, dass man dachte, der Fall sei nun ad Acta zu legen. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung hat der Patentinhaber jedoch Beschwerde eingelegt.
Mangelnde erfinderische Tätigkeit
Diese Beschwerde hat dafür gesorgt, dass die Angelegenheit sich noch lange hinzog und nochmals Arbeit und Geld investiert werden musste. Am 22.04.2021, drei Jahre und fast zehn Monate nach der Sitzung in Den Haag, hat dann die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts als Videokonferenz stattgefunden. Die Beschwerdekammer ist bereits vor der mündlichen Verhandlung in einer vorläufigen Stellungnahme zu der Auffassung gelangt, dass zwar die Frage der Ausführbarkeit, der unter Schutz gestellten Lehre gegebenenfalls zu bejahen sei, jedoch wahrscheinlich die Neuheit, zumindest aber die Erfinderische Tätigkeit fehlen würde. Demgemäß wurde die Prüfungsreihenfolge in der Verhandlung vor der Beschwerdekammer geändert und zunächst die Frage der Neuheit und der Erfinderischen Tätigkeit verhandelt worden. Nach nur vier Stunden Verhandlung war die Entscheidung gefällt: Das Patent mit dem Titel “Ermittlung und Lokalisierung des Schimmelbefalls in Innenräumen” wird wegen mangelnder Erfinderischer Tätigkeit in zweiter Instanz widerrufen.
Aus diesem Fall, so Dr. Wolfgang Lorenz, lässt sich ableiten, dass ein aktives Patentmonitoring angeraten ist, um bereits in einem frühen Verfahrensstadium, beispielsweise während des Erteilungsverfahrens, Schritte gegen eine Erteilung von Patenten zu initiieren.